Hallo,
ich habe mal ein paar Artikel gelesen und aus Spaß etwas gerechnet. Herausgekommen ist dann das hier:
Nehmt mein Gehalt und kauft davon Computer!
Ich warte bereits sehnsüchtig. In einem Jahr und nach dem erfolgreichen Abschluss meines Referendariats wird es wahrscheinlich so weit sein: Ich werde hoffentlich eine Planstelle besetzen können und dann überweist die Bezügestelle mir jeden Monat etwa doppelt so viel wie im Moment. Toll. Im internationalen Vergleich und auch im Vergleich mit anderen Berufseinsteigern verdienen Lehrer in Deutschland, zumindest als Berufseinsteiger, ziemlich gut. Vielleicht auch, um trotz der Bedingungen am Arbeitsplatz zufrieden zu sein?
Nach Überlegungen zu meiner Examensarbeit und den vielfältigen Anregungen im Projektblog bin ich sehr motiviert, meine Examensarbeit und auch meinen Unterricht durch den Einsatz einer Lernplattform zu bereichern. Als Informatiklehrer fällt das nicht schwer, mit zusätzlicher Fachliteratur ist auch ein Konzept für den Ablauf schnell erstellt. Alles weitere wird dann die Praxis, sicher auch mit viel „trial and error“ zeigen. Das Entscheidende ist aber: Ich bin in der komfortablen Situation, mit dem Fach Informatik ein unschlagbares Argument für die Belegung des Computerraumes zu besitzen. Andere Kollegen müssen sich für ihre Stunden mindestens eine Woche im Voraus auf einem Plan eintragen. Und der ist schnell gefüllt. Es stehen zwei Computerräume zur Verfügung, mit jeweils ca. 20 Geräten. Über die Schule verteilt gibt es noch einige weitere Rechner, jedoch maximal 6 in einem Raum. Insgesamt kommen wir an unserer Schule so auf ca. 35 von Schülern benutzbare Geräte. Das ergibt bei einer Schülerzahl von ca. 1500 in etwa 0,02 Computer pro Schüler. Oder anders ausgedrückt: Bei einer Verteilung der zur Verfügung stehenden Unterrichtszeit von im Mittel 32 Unterrichtsstunden à 45 Minuten erhalten wir eine potentielle PC-Nutzungszeit von einer guten halben Stunde pro Schüler in der Woche. Das mag ausreichen, wenn das Ziel bis zum Abitur die Beherrschung der Standardanwendungen inklusive der Internetnutzung sein soll. Für eine neue Form des Unterrichts und eine Förderung der Informationsgesellschaft im Sinne der Initiative D21 ist es ein schlechter Witz. Selbst wenn also durch uns technikaffine junge Lehrer als Multiplikatoren und durch weitere Anstrengungen die bei Kollegen aus meiner Sicht nur geringe Bereitschaft zur Durchführung computergestützten Unterrichts deutlich erhöht werden würde: Die Ausstattung fehlt weiterhin, es bleibt kompliziert.
Die Frage ist doch: Unter welchen Umständen steigt ein Mensch bei seinen Tätigkeiten auf ein anderes System, Gerät oder Werkzeug, auf eine andere Vorgehensweise um? Und die einfachste Antwort lautet: Wenn er sich davon einen Vorteil erhofft. Und in welchem Falle behält er die Veränderung bei? Wenn der Vorteil bestehen bleibt. Warum trinken Menschen neuerdings Kaffee aus mit Pads zu füllenden Maschinen? Warum war WAP ein Flop? Warum wollte niemand mit dem Nokia 3650 telefonieren? Und warum verwenden fast alle PC-User noch die QWERTY-Tastatur? Genau.
Zu einer für einen Vorteil im Schulalltag notwendigen Usability gehört für mich die ständige Verfügbarkeit von Computern, am besten Notebooks, im Klassenraum. Aktuell gibt es an deutschen Schulen im Schnitt für ca. 11 Schüler einen PC.
Machen wir eine grobe Rechnung:
Damit sich von den aktuell ca. 12,3 Millionen Schülern wenigstens nur vier einen Computer teilen müssen, wären grob 2 Millionen Notebooks notwendig. Das ergibt bei einem angenommenen Preis von etwa 500 Euro pro Gerät Kosten in Höhe von einer Milliarde Euro.
Wenn alle Lehrer in Deutschland (ca. 750.000) für die Zeit von drei Jahren jeden Monat auf 40 Euro beim Gehalt verzichten würden, wäre das Geld zusammen. Für eine bessere Schule würde ich das tun. Wenn alle mitmachen. :-)
Viel billiger wird die Aktion, wenn wir jetzt einfach einmal an dem genannten Preis für ein Notebook eine Null wegstreichen und an das inzwischen zur Serienreife gelangte 100-Dollar-Notebook unserer Rechnung zugrunde legen.
Aber es gibt auch eine andere Möglichkeit:
Über die internationale Vergleichbarkeit von Bildungsausgaben, deren Wirksamkeit und die Gründe für die niedrige Quote in Deutschland kann man zwar sehr gut streiten, Fakt ist jedoch: Eines der reichsten Länder der Welt leistet es sich, aus öffentlichen Mitteln nur ca. 4,5 Prozent des BIP und somit 0,5 Prozent weniger als der EU-Durchschnitt in Bildung zu investieren. Insgesamt lag das BIP 2006 bei 2300 Milliarden Euro, macht also gut 100 Milliarden für die Bildung. Bei einer Erhöhung auf den genannten Durchschnitt kämen also pro Jahr ca. 11,5 Milliarden mehr zusammen. Da wären also die Notebooks wohl bezahlbar. An dieser Stelle ist auch erkennbar, wie lustig die mit viel Getöse angekündigte Exzellenzinitiative für die Universitäten (Gesamtvolumen: 1,9 Mrd. Euro, verteilt auf vier Jahre) so ist. Ein interessanter Akzent bei diesen Überlegungen findet sich auch auf den Seiten des Bundes der Steuerzahler: Dieser schätzt die Verschwendung öffentlicher Gelder auf 30 Milliarden Euro im Jahr.
Wenn die Initiative D21 ihre Ziele auch im schulischen Kontext erreichen will, muss sie also den Entscheidern nahelegen, dass die inflationsbereinigt seit Jahren sogar leicht sinkenden Bildungsausgaben endlich erhöht werden müssen. Oder dafür sorgen, dass die Eltern statt den Weihnachtsgeschenken im Wert von 441 Euro (wir vergleichen das im Kopf kurz mit dem ALG-II-Regelsatz), die das bundesdeutsche Durchschnittskind im Alter über 12 Jahren erhält, zum Schulanfang ein kleines Notebook in den Ranzen packen.